Dr. Ralf Breuer

aktualisiert/last updated 02/08/2017, ergänzt/supplemented 15/12/2017

Sustainability on it’s way into reporting and regulation? – English abstract below.

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Am 18. (Brüssel) und 20. Juli 2017 (London) präsentierte eine hochrangige Expertengruppe der EU ihre ersten Vorschläge für eine nachhaltige(re) Finanzwirtschaft in der Europäischen Union. Die Vorschläge fanden in Deutschland weder bei der Presse noch der Kreditwirtschaft große Beachtung. Zu Unrecht: Ihre Umsetzung kann bedeutenden Einfluss auf die zukünftige Rechnungslegung und auch die Regulierung haben.

Viel Hirn, viel -schmalz, viel Arbeit

Die zwanzigköpfige Expertenkommission unter dem Vorsitz von Christian Thimann (Axa, Group Head of Regulation, Sustainability & Insurance Foresight) war mit hochrangigen Vertretern aus der Finanzwirtschaft und anderen Interessenvertretern (u.a. WWF Frankreich) besetzt. Deutschland war durch Michael Schmidt, Geschäftsführer der Deka Investment, vertreten. Unter den weiteren neun internationalen Beobachtern war kein Vertreter aus Deutschland.

Die von der EU eingesetzte Kommission präsentierte ihre vorläufigen Ergebnisse am 18.7. ganztägig vor 500 Teilnehmern in Brüssel und am 20.7. halbtägig vor 100 Teilnehmern in London. In den Schlussbericht zum Jahresende sollen dann u.a. auch die kürzlich beim Financial Stability Board (FSB) erarbeiteten Vorschläge zur Berichterstattung über klimabedingte Risiken (Task Force for clima-related Financial Disclosures, TCFD) eingehen.

Die Vorschläge sind sehr weitreichend, da sie auch rechtliche Rahmenbedingungen, Rechnungslegung und institutionelle Gegebenheiten beinhalten. Insofern handelt es sich um ein Rahmenkonzept, dessen praktische Umsetzung mit erheblichem Aufwand verbunden ist. Insgesamt wirken die aufgezeigten Mechanismen aber stimmig, so dass die Finanzwirtschaft auf diese Weise tatsächlich einen höheren und systematischen Beitrag zur Nachhaltigkeit in der Europäischen Union leisten könnte. Dabei geht es nicht um die Überwälzung von Kosten auf den Finanzsektor, sondern vor allem um den Abgleich öffentlicher und privater Interessen auf einer marktwirtschaftlichen Basis.

Die von der Kommission vorgestellten acht Vorschläge in Kürze:

  1. Klassifizierungssystem für nachhaltige finanzielle Vermögenspositionen: Was ist nachhaltig, was nicht?
  2. Europäische Standardisierung und Zertifizierung von Nachhaltigkeitsanleihen (Green Bonds, Klimaanleihen etc.) und anderer nachhaltiger finanzieller Vermögenspositionen.
  3. Rechtliche Verankerung von Nachhaltigkeit als Handlungsgebot (fiduciary duty/Treuhänderische Pflicht gegenüber künftigen Generationen)
  4. Verstärkte Berichtspflicht über ökologische, soziale und Unternehmensführungskomponenten (ESG, ecological/social/governance).
  5. Einen „Nachhaltigkeitstest“ für die EU-Gesetzgebung: Entspricht der aktuelle Rahmen den erforderlichen Kriterien?
  6. Schaffung einer „Nachhaltigen Infrastuktur Europa“ zur Moderation und Steuerung privater Investitionsinteressen in die Richtung von Projekten, die die Nachhaltigkeit stärken. Z.B. CO2-Ersparnis im Verkehr, Energie, Bauten, Landschaftsbau, soziale Strukturen etc.
  7. Verstärkte Einbindung der Aufsichtsbehörden in die Analyse von nicht-finanziellen Risiken (ESG)
  8. Berichtsstandards für Energieeffizienz. Dies zielt insbesondere auf den Zeithorizont bei der Bewertung ab. So könnte z.B. eine erhebliche Zahl von Kraftwerken durch den Kapazitätsaufbau bei erneuerbaren Energien wertlos werden.

Die vorläufigen Vorschläge haben eine ganzheitliche Sichtweise als Grundlage und damit auch die Gesamtheit der Europäischen Union. Für die Finanzwirtschaft hätte ihre Umsetzung eine Reihe von Konsequenzen, aber auch Vorteile.

Konsequenzen für die Kreditwirtschaft

Die gemeinsame Stellungnahme der fünf Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft lässt eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Vorschlägen vermissen. Die Arbeit wird zwar grundsätzlich als „wichtiger Diskussionsbeitrag“ begrüßt, vorwiegend aber vor einer möglichen regulatorischen Mehrbelastung gemahnt. https://die-dk.de/themen/pressemitteilungen/deutsche-kreditwirtschaft-zum-eu-zwischenbericht-fur-ein-nachhaltiges-finanzwesen-anreize-fur-investitionen-sinnvoll-unnotige-regulierung-vermeiden/

Die formelle Verankerung von nachhaltigem Handeln muss aber zwingend zu Veränderungen in der externen Berichterstattung und Bankenaufsicht führen. In der Aufsicht müssen die Anforderungen dadurch aber nicht zwangsläufig vermehrt und verkompliziert, sondern vielmehr zielführend verändert werden. Insofern sollte die Regulierung zumindest anders werden.

Die größten Veränderungen sind für die externen Berichterstattung vorhersehbar. 1. Erweiterung der Berichtspflichten auf nicht-finanzielle Kriterien 2. Explizite Berücksichtigung von langfristigen Risiken (z.B. aus dem Klimawandel) 3. Angleichung der Zeithorizonte in Berichten und nachhaltigen Handlungsfeldern. Letzteres erfordert eine Trendumkehr, nachdem durch den Übergang auf eine angelsächsisch geprägte Rechnungslegung der Zeithorizont stark verkürzt und auf das aktuelle Marktumfeld gerichtet wurde. Plötzlich ist von entwerteten Vermögenspositionen (stranded assets) im Jahr 2030 die Rede. Insofern muss sich die Berichterstattung auf eine fernere Zukunft richten.

Eine ganze Reihe von Banken weltweit hat die am 29. Juni 2017 vorgelegten Vorschläge der Task Force des Financial Stability Board zur Berichterstattung über finanzielle Klimarisiken (TCFD) ausdrücklich begrüßt. Ein Blick in die speziell für Kreditinstitute vorgeschlagene Berichtspflicht sollte eigentlich beruhigen und die Regulierungsängste in Grenzen halten. (https://www.fsb-tcfd.org/wp-content/uploads/2017/06/FINAL-TCFD-Report-062817.pdf, S. 15)

Den vollständigen Bericht der EU Expertenkommission finden Sie hier:

http://www.eurosif.org/wp-content/uploads/2017/07/HLEG-on-Sustainable-Finance-IR-For-website-publication.pdf

Die zusammenfassende Präsentation des Vorsitzenden der Kommission finden Sie hier:

https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/170718-sustainable-finance-presentation-christian-thimann_en.pdf 

Die fünf französischen Vertreter in der Expertengruppe haben zwischenzeitlich eine Zusammenfassung mit den Implikationen für den Finanzplatz Paris vorgelegt: Décryptage: La vision des experts de HLEG membres de Finance for Tomorrow

Zwischenzeitlich hat die EU-Kommission ihre Absicht bestätigt, im März 2018 auf der Grundlage des Schlussberichtes der Expertenkommission einen Aktionsplan für das europäische Parlament vorzulegen. Vgl. Nachhaltigere Finanzwirtschaft – Nummer Vierundzwanzig.

Eine Reihe von nationalen und internationalen Institutionen hat weitere Initiativen avisiert, die Finanzwirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit zu entwickeln. Hierüber wurde in verschiedenen Beiträgen berichtet. Eine Übersicht findet sich auf Übersicht – Nachhaltigere Finanzwirtschaft Nummern Vierundzwanzig bis Eins.

English abstract

The interim report and the public hearings of the EU Commission’s high-level expert group on sustainable finance were poorly covered by the German press. The press release of the The German Banking Industry Committee did not really reflect the proposals. The headline almost summarizes the content of the whole text: „Incentives for investment are appropriate; unnecessary regulation should be avoided“. https://die-dk.de/en/topics/press-releases/position-german-banking-industry-committee-eu-interim-report-sustainable-finance-incentives-investment-are-appropriate-unnecessary-regulation-should-be-avoided/.

Germany is to be seen as a laggard in sustainable finance, the German banking sector in particular. Astonishing enough as almost all neighbouring countries show strong momentum in sustainable/responsible/green investment and finance.

In France, the five members of the commission submitted a summary with the implications for Paris on Aug. 2nd, 2017: Dectyptage: La vision des experts du HLEG membres de Finance for Tomorrow

In the meantime the EU-Commission confirmed to submit an action plan on the the back of HLEG’s final report by March 2018. Several national and international bodies point into the same direction. News on this were reported (in German) on Übersicht – Nachhaltigere Finanzwirtschaft Nummern Vierundzwanzig bis Eins.