Die von der EU-Kommission eingesetzte hochrangige Experten zu Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft (High-Level Expert Group on Sustainable Finance, HLEG) legte heute den Schlussbericht mit ihren Empfehlungen vor (Download). Dabei bekräftigte sie noch einmal die grundsätzlichen Punkte im Zwischenbericht vom Juli 2017. Die EU-Kommission beabsichtigt, im März 2018 dem EU-Parlament konkrete Vorschläge für die Umsetzung zu unterbreiten. Während der Zwischenbericht im Juli kaum Beachtung in der deutschen Öffentlichkeit fand, hat der Schlussbericht einen deutlich höheren Aufmerksamkeitswert wie die beachtliche Zahl zeitnaher Reaktionen aus der Kreditwirtschaft und Interessenvertretern zeigt.

31. Januar 2018, ergänzt 7. Februar 2018

Dr. Ralf Breuer

Banken: Juli lasch, heute rasch

Bei der öffentlichen Präsentation der Zwischenergebnisse in Brüssel (500 Teilnehmer) und London (über 100) waren nur vereinzelt Vertreter der deutschen Kreditwirtschaft. In einer gemeinsamen Stellungnahme wurden die Ergebnisse eher lasch zur Kenntnis genommen. Mehr hierzu im Beitrag vom Juli 2017: Nachhaltigkeit auf dem Weg in Rechnungslegung und Regulierung? Umso erfreulicher ist die zeitnahe Aufnahme der Ergebnisse, z.B. durch den Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands auf Twitter:

Auch die Aussage auf der Internetseite des Verbands stellt eine bemerkenswerte Änderung gegenüber den Stellungnahmen zum Zwischenbericht dar:

Banken für mehr Nachhaltigkeit auf den Finanzmärkten

31. Januar 2018

Die von der EU-Kommission eingesetzte High Level Expert Group on Sustainable Finance (HLEG) hat heute ihren Abschlussbericht vorgelegt. Ziel ist es, nachhaltige Investments zu stärken und das Thema Nachhaltigkeit in den regulatorischen und finanzpolitischen Rahmen der Europäischen Union zu integrieren. Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, erklärt dazu: „Die Banken bekennen sich zum Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung. Viele Banken haben ökologische Belange in ihr operatives Geschäft bereits integriert. Der nun vorgelegte Bericht der Expertenkommission hat eine enorme Signalwirkung. Nachhaltigkeit ist längst kein Randthema mehr. Alle Unternehmen der Finanzwirtschaft müssen heute Sustainable Finance in ihrer DNA verankern. Damit dies Erfolg hat, müssen insbesondere klare Begrifflichkeiten vorgegeben werden und transparente Verhaltensregeln für alle Beteiligten existieren. Auch die Risikoaspekte von nachhaltigen Finanzierungen dürfen nicht außen vorgelassen werden.“

Quelle: Bankenverband

Ganz anders die gemeinsame Stellungnahme der Spitzenverbände Deutsche Kreditwirtschaft: Anreize für langfristige Finanzierungen sind sinnvoll, zusätzliche Regulierung vermeiden. Auf der Grundlage der oben wiedergegebenen eigenen Erklärung hätte sich der Bundesverband deutscher Banken dieser gemeinsamen Fassung nicht anschliessen dürfen. Offenbar bedarf es einer neuen Bundesregierung, die in der Nachhaltigkeitsstrategie zur Chefsache erklärten Thematik Nachdruck verleiht.

Erwartungsgemäß geht einigen Interessierten der Bericht in seinen Empfehlungen (noch) nicht weit genug, was sich auch in ersten Stellungnahmen und Kommentaren, z.B. auf Twitter äußerte:

Grundsätzlich in die richtige Richtung

Die Unternehmensverantworlichen, Investoren und auch die Aufsichtsbehörden sollen für Nachhaltigkeit und eine längerfristige Sichtweise in die Pflicht genommen werden. Insbesondere die Risiken aus dem Klimawandel und der Energiewende können und dürfen von der Kreditwirtschaft schon aus Eigeninteresse nicht ignoriert werden.  Insofern bilden die Erfassung und der Bericht von Nachhaltigkeitsrisiken einen Kernpunkt der Empfehlungen.

Die beträchtlichen Risiken aus der Nicht-Berücksichtigung längerfristiger Faktoren korrespondieren unmittelbar mit den geschäftspolitischen Chancen durch die Berücksichtigung nachhaltiger Entwicklungsziele bei Investititionsentscheidungen. Die (17) globalen Entwicklungsziele (SDG) haben sich über die zweite Jahreshälfte 2017 als gemeinsamer Denkrahmen für Investoren und alle beteiligten interessierten Parteien entwickelt, da sie vorwärtsgerichtet sind und ein gleichgerichtetes Verständnis für die weitere Entwicklung sind. Die Vorschläge der HLEG zielen deshalb auch auf die Förderung der Finanzierung einer nachhaltigen Infrastruktur in der Europäischen Union.

Wieviel Politik ist nötig?

Nachhaltigkeit ist in Deutschland offiziell „Chefsache“ des Bundeskanzleramtes. Durch die verzögerte Regierungsbildung nach der Bundestagswahl im September 2017 blieben aber wichtige Impulse in Richtung Wirtschaft und vor allem Richtung Kreditwirtschaft aus. Es ist zu hoffen, dass die Empfehlungen der Expertengruppe noch zeitnah in die laufenden Koalitionsverhandlungen einfliessen und so weitere Impulse gegeben werden.

Der oben zitierte Kommentar des Bankenverbands und die anhaltend guten Geschäftszahlen nachhaltig orientierter Banken (z.B. Geschäftszahlen 2017 der GLS Bank vom 30.1.2018) sowie anlaufende Kampagnen für nachhaltige Anlageprodukte signalisieren ein deutlich gestiegenes Eigeninteresse der deutschen Kreditwirtschaft. Das ist eigentlich ohnehin gegeben, aber bedauerlicherweise noch nicht voll erkannt: Nachhaltigkeit im Bankgeschäft als Überlebensstrategie.