Beitragsbild: ista.com

Inhalt: Klimaschutz und Immobilien; Großbritannien: Prinzipien für Grüne Gebäudesanierungen; PRInzipientreue; Klimazukunft für Portfolien; Tomorrow: Träume von heute zu Preisen von morgen?; Pimco: Klimaanleihen für Europa; IFRS prüft Nachhaltigkeitsstandard; Seminar/Veranstaltungstermine: VÖB Zertifikatslehrgang „Sustainable Finance Manager“; Datenschutz/DSGVO

Die Beiträge in „Nachhaltigere Finanzwirtschaft“ fassen in loser Folge Nachrichten zusammen, die auf die Entwicklung hin zu einem „Mehr“ an Nachhaltigkeit und andere interessante Entwicklungen im Finanzsektor hinweisen.

6. Oktober 2020

Dr. Ralf Breuer

Klimaschutz und Immobilien

Diskussionen über das Für und Wider oder auch das Wie von Klimaschutz bzw. Möglichkeiten zur Verminderung von Treibhausgasen werden am häufigsten rund um die individuelle Mobilität geführt. Sie führen regelmäßig zu einem „aber“, z.B. über die umweltfreundlichste Antriebsvariante.

Auch die Erzeugung erneuerbarer Energien ist diskussionswürdig: Ressourcenverbrauch, Eingriffe in das Landschaftsbild oder gar Biosphären sollten wohl abgewogen werden. Aber auch und gerade außerhalb dieser eher technischen Problemfelder bieten sich der Kreditwirtschaft gute geschäftspolitische Anknüpfungspunkte, vor allem bei der Gebäudefinanzierung.

Gebäude sind eine nicht vernachlässigbare Quelle von Treibhausgasen. Ihnen werden vom Umweltbundesamt rund 15% der jährlichen Emissionen in Deutschland zugerechnet (Die Emissionen für die Erstellung von Gebäuden einschließlich der Baustoffe wie Zement kommen noch hinzu). Der prozentuale Anteil ist seit 1990 nahezu konstant, obwohl das Emissionsvolumen im gleichen Zeitraum um mehr als 40% zurück ging.

2020-03-20 UBA TreibhausgaseDeutschland

Welche Einsparpotentiale Gebäude bieten, verdeutlicht eine Grafik der KfW-Guppe:

2018 KfW Treibhausgase

So konnten allein bei den durch die Bankengruppe finanzierten Bau- und Sanierungsmaßnahmen 2018 9,88 Mio. Tonnen Treibhausgase (CO2-Äquivalente) eingespart werden. Dies entspricht gemäß der vorausgegangenen Übersicht des Umweltbundesamtes zwar nur rund einem Prozentpunkt der deutschen Gesamtemissionen 2018, aber bereits 8% des Anteils der deutschen Gebäude.

Wie groß die Potentiale noch sind, illustriert eine gemeinsame Untersuchung der Technischen Universität Dortmund und des Energiedienstleisters ista. Danach haben die deutschen Mehrfamilienhäuser Heizungen mit einem Durchschnittsalter von 23 Jahren und sind der im Durchschnitt der Energieeffizienzklasse „D“ zuzurechnen.

2020-10-02 Energie Mehrfamilienhaus

Quelle: ista.com

Grundlage für die Auswertung waren 74.000 Mehrfamilienhäuser in Deutschland. Die durchschnittlichen Sanierungsquoten für die wesentlichen Komponenten mit Auswirkungen auf den Energieverbrauch liegen im Schnitt unter 50%. Die Studie stellt fest, dass allein schon regelmäßige (elektronische) Verbrauchsinformationen zu einem um 10% verminderten Energieverbrauch führen können.

Energetische Sanierungen führen nicht allein zu Vorteilen für die Eigentümer, sondern ganz maßgeblich für die Mieter. Mir der Thematisierung von Altersarmut gerade in Großstädten hat dies noch eine zusätzliche soziale Dimension.

Eine indikative Übersicht der Verbraucherzentrale NRW zeigt, dass z.B. eine Verbesserung der Energieeffizienz zu deutlichen jährlichen Einsparungen von Heizkosten führen kann:

2020-10-02 Heizkosten MFH qm

Die Finanzwirtschaft muss auf diesen Grundlagen also gar nicht „um die Ecke“ argumentieren, um ggf. Finanzierungsangebote mit und ohne zusätzliche Fördermittel anzubieten.

In Großbritannien erhalten „grüne“ Gebäudesanierungen gerade Methode mit einem neuen Standard:

Großbritannien: Prinzipien für Grüne Gebäudesanierungen

In Kooperation mit der Loan Market Accociation (LMA) hat das Green Finance Institute. Das LMA ist ein Zusammenschluß von 750 Markakteuren aus 65 Ländern. Sie dient der Setzung von Standards für die (syndizierten) Kreditmärkte und damit eine große Bedeutung für die Transparenz und Liquidät von Kreditfinanzierungen.

Die Green Home Retrofit Principles (GHRFPs)  bieten einen Standard für die energetische Sanierung von Wohngebäuden. Sie decken neben der Energieeffizienz und dem Ausstoß von Treibhausgasen auch Maßnahmen zur Erhöhung der Resilienz gegenüber Klimafolgen. Sie beschreiben vor allem die Mittelverwendung, Projektauswahl, den Umgang mit den Mitteln und die Berichterstattung, z.B. durch ein externes Energiegutachten (oder verbesserten Energieausweis). Beispielhaft werden einige mögliche Maßnahmen beschrieben.

Die GHRFPs sind eine sinnvolle Erweiterung der vorhandenen Finanzierungsstandards auf einen wichtigen Bereich gewerblicher und privater Finanzierungen. Aufgrund der hohen Relevanz von Gebäuden in der Emissionsbilanz eines Landes, unterstützen sie die Erreichung von Emissionszielen. Für die Kreditwirtschaft könnte ein solcher Standard eine wertvolle geschäftspolitische Argumentationsgrundlage bieten.

PRInzipientreue

Die von der UN mitinitiierten „Principles of Responsible Investement – PRI“ konstituierte sich 2006 und hat aktuell rund 3.000 Unterzeichner mit einem verwalteten Vermögen von rund USD 100 Bio. Nun wurden fünf Unterzeichner wegen Verstößen gegen eines oder mehrere der sechs Prinzipien (EN) ausgeschlossen. Einzelheiten über die Verstöße wurden nicht kommuniziert.

2018 waren 165 der Unterzeichner von PRI aufgefordert worden, ihre Geschäftspolitik in Hinblick auf die Standards von PRI zu prüfen. Unter den ausgeschlossenen Unterzeichnern ist auch BPE, die Privatbank der Banque Postale in Frankreich mit einem verwalteten Vermögen von mehr als USD 5 Mrd. Gemäß Medienberichten ist für das Jahr 2021 der Ausschluß von weiteren 15 Unterzeichner avisiert (vgl. u.a. Reuters 28.9.2020 (EN).

Klimazukunft für Portfolien

Die Initiative Science Based Targets (SBTi) stellt seit dem 1.10.2020 ein Werkzeug bereit, mit dem Anleger und Kreditgeber die Klimaziele der Unternehmen in ihrem Portfolio erfassen können, Damit wird sie dem weit verbreiteten Wunsch in der Finanzindustrie gerecht, die Anlagepolitik auf die Erfüllung des Klimaschutzabkommens von Paris auszurichten.

Anders als der „historische“ CO2-Fußabdruck oder vergangenheits-gestützter, eher theoretischer Simulationsrechnungen anderer Anbieter (z.B. right. based on Science, Frankfurt) stützen sich die Werkzeuge auf wissenschaftlich abgesicherte, bei der SBTi hinterlegte Ziele der Unternehmen für ihre zukünftigen Treibhausgasemissionen.

Die von der SBTi bereitgestellten Werkzeuge können ein wertvolles Instrument sein, den Wandel von Nachhaltigkeit in eine zukunftsorientierte Sicht zu unterstützen. Sie helfen dabei auch, die von der EU-Kommission geplanten neuen „Klimabenchmarks“ an den Finanzmärkten transparent anzuwenden (vgl. Nachhaltigere Finanzwirtschaft – Nummer Zweiundachtzig). Im Blogbeitrag der SBTi vom 1.10.2020 (EN) wird berichtet, dass bereits 55 Finanzinstitute erklärt haben, Anlageziele auf der Grundlage der SBTi umzusetzen. Darunter die Bank J. Safra Sarazin und Standard Chartered.

Tomorrow: Träume von heute, Preise von morgen?

Das Hamburger FinTech Tomorrow hob sich bisher recht angenehm von vielen anderen Anbietern ab („Mobile Banking für ein besseres Morgen). Tomorrow startete im November 2018 (vgl. Nachhaltigere Finanzwirtschaft – Nummer Sechsundfünfzig) und konnte zwischenzeitlich mehr als 40.000 Kunden gewinnen. Allerdings nutzen diese überwiegend das kostenfreie Angebot (aktuell Girokonto und direkt debit Visa). Auf der Grundlage von Unternehmensangaben fand das Angebot „Zero“ (vgl. Nummer Sechsundachtzig) mit Monatsgebühren von € 15 bisher nur etwas mehr als 1.000 Interessenten. Damit erzielt Tomorrow aktuell einen monatlichen Deckungsbeitrag von etwa € 10.000 (eigene Berechnung).

Zunächst nur in Pressegesprächen gab Tomorrow im September bekannt, im Rahmen eines Crowdfunding € 2 Mio. im eigenen Kunden- bzw. Interessentenkreis finanzieren zu wollen. Die Mittel sind für eine internationale Expansion und die Auflage eines eigenen Investmentfonds vorgesehen (Süddeutsche Zeitung 15.9.2020).

Für die Auflage eines eigenen Anlageinstruments wäre eine Summe von rund € 1 Mio. plausibel. Für die internationale Expansion sind allerdings keine logischen Zielländer in Sicht. Frankreich wäre (auch noch französischen Medien, vgl. Ma-Neobanque 15.11.2019 (FR)) empfänglich für Tomorrow gewesen, mittlerweile sind dort allerdings bereits vier Finanzdienstleistungsprojekte mit dem Fokus Nachhaltigkeit/Klimaschutz gestartet (vgl. FinTech à la française).

In den Pressegesprächen bezifferte ein Mitgründer den „Wert eines Kunden“ auf € 1.000, was bereits eine sehr „sportliche“ Bewertung vor der Finanzierungskampagne nahelegte. Nunmehr legt Tomorrow eine Bewertung von € 50 Mio. (vor der Finanzierung) zugrunde, also € 1.250 pro Kunde.

Diese Werte sind für die Anleger bei dem geplanten Crowdfunding deshalb von großer Bedeutung, weil hieran die Wertsteigerung der geplanten Genußscheine im Falle eines Unternehmensverkaufs gemessen wird. Gegenüber der Presse (s.o) war mit einer theoretischen Wertsteigerung bei Erreichen von einer Million Kunden argumentiert worden. Mit dem höheren Bewertungsansatz jetzt würde sich das Potential unter Beibehaltung des Richtwertes pro Kunde also deutlich verringern.

Sofern in den nächsten fünf Jahren kein Unternehmensverkauf erfolgt, soll den Genußscheininhaber aus dem Crowdfunding die Möglichkeit einer Rückzahlung zum Nennwert zuzüglich einer jährlichen Verzinsung von 5% p.a. gewährt werden. Auf der Basis der aktuell verfügbaren Unternehmenskennzahlen wird Tomorrow allerdings nicht in der Lage sein, diese Versprechen zu erfüllen. Zudem liegt der angebotene Zinssatz im unteren Bereich der Verzinsung der von verschiedenen Plattformen angebotenen Nachrangdarlehen, z. B. für Energieprojekte mit deutlich größerer Transparenz und oft wohl geringeren Risiken als bei Tomorrow. Vergleichswerte lassen sich leicht einsehen, z.B. bei bettervest, ecoligo.investmentsGLS Crowd (keine Partnerlinks!). Zudem fließen die Mittel bei diesen Anbietern unmittelbar in den Klimaschutz und auch andere nachhaltige Zwecke.

Pimco: Klimaanleihen für Europa

Die zum Allianz-Konzern gehörende Pimco als global führender Vermögensverwalter im Anleihenmarkt hat die Auflage eines neuen globalen Fonds für Klimaanleihen avisiert (Press Release 1.10.2020). Der Fonds soll weltweit in zertifizierte Green Bonds und andere Anleihen für Klimaschutzzwecke investieren. Er wird rechtlich als „UCITS“ nach EU-Regeln für den europäischen Markt aufgelegt.

IFRS prüft Nachhaltigkeitsstandard

Die IFRS Foundation prüft die Entwicklung und Einführung eines Standards für die nicht-finanzielle Berichterstattung (Press Release 30.9.2020). Auf der Grundlage eines Konsultationspapiers soll bis zum Jahresende geprüft werden, ob und inwieweit ein globaler IFRS Standard für Nachhaltigkeit entwickelt werden soll. Bei Zustimmung der Mitglieder würde ein entsprechendes Gremium (Sustainability Standards Board, IFRS SSB) eingerichtet.

Die Frage nach dem „ob“ steht allerdings eher aus formalen Gründen noch im Raum. Auch die Frage nach „was“ wird schon im Konsultationspapier klar beantwortet: Klimarisiken hätten höchste Priorität. Auch IFRS unterstellt für Nachhaltigkeit eine „doppelte Wesentlichkeit“ mit Wirkungen nach und von außen.

Die elf gestellten Fragen im Konsultationspapier (S. 15) sind schnell beantwortet. Insofern wird Nachhaltigkeit zukünftig Teil der Standards von IFRS sein (Consultation Paper). Damit bewahrheitet sich, was im Sommer 2017 noch als eher „steile These“ anmutete: Nachhaltigkeit auf dem Weg in Rechnungslegung und Regulierung?, 20.7.2017.

Seminar-/Veranstaltungstermine

Zertifikatslehrgang „Sustainable Finance Manager“

Die Academy of Finance der VÖB-Service GmbH bietet seit März 2020 den Zertifikatslehrgang Sustainable Finance Manager als anerkannten Qualifizierungsnachweis an. In diesem Lehrgang sollen Kompetenzen in Sachen Nachhaltigkeit umfassend aufgebaut werden, um diese anschließend im eigenen Hause in der Praxis umsetzen zu können.

Der Lehrgang ist in der Form eines Blended-Learnings gestaltet und setzt sich aus einem Präsenz-Workshop, drei E-Learning-Modulen sowie einer Online-Abschlussprüfung zusammen.

Der Starttermin am 16.3.2020 und die Zusatztermine am 17. und 18.3.2020  sowie der Starttermin am 23.6. waren bereits ausgebucht. Am 28.7. und 1.10.2020 wurden zwei weitere Lehrgangsgruppen gestartet. Nächster virtueller Workshop als Modul 1 des Lehrgangs: 24.2.2020.

Mehr Informationen und Buchungen: VÖB-Service GmbH Academy of Finance

Eine Beschreibung und einige Hintergründe zum findet sich im Newsletter der Steyler Ethik Bank vom Februar 2020: Nachhaltige Prozesse anstoßen.

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Mehr dazu: Angebote – Seminare, Vorträge, Workshops

Datenschutz/DSVO

Durch die ab 25. Mai 2018 in Deutschland geltende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union ist der rechtssichere Versand von Mails auch wenn sie keine unmittelbare Werbung enthalten an die ausdrückliche Zustimmung der Empfänger gebunden.

Sofern Sie zukünftig gezielte und dosierte Informationen zum Thema Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft per Mail erhalten möchten, bitte ich Sie unter dem nachfolgenden Link um Ihre Zustimmung, wozu ein simples „Ja“ in Verbindung mit Ihrem Namen und Ihrer Mailadresse würde genügen: Datenschutz bei Investabel®. Alternativ können Sie auch eine entsprechende Mail info@investabel.com senden.

Dies betrifft natürlich nur diejenigen Adressaten, die ihre Zustimmung bisher noch nicht gegeben haben.

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