Beitragsbild: Mäandernder Jetstream, Quelle: NASA/InsideClimate News

Der heiße Sommer hat das Bewußtsein für den Klimawandel verstärkt. Biergarten, Boulevardpresse, Lokalzeitung, Internet, soziale Medien: Überall wird das Stichwort häufiger verwendet. Auf der Titelseite der Bonner Lokalzeitung „General-Anzeiger“ finden sich Visualisierungen der NASA. Ein mäandernder Jetstream sorgt für stabiles Wetter, lenkt kalte und warme Luftströmungen in ungewohnte Richtungen. Und ausgerechnet in diesen Zeiten stellt die Union Investment ihren Aktienfonds „UniSector: Klimawandel“ mangels Erfolg ein? Verkehrte Welt oder Tücke des Konzepts? Einige Überlegungen.

6. August 2018

Dr. Ralf Breuer

2018-08-06 jetstream

Quelle: NASA/InsideClimateNews. Der mäandernde Jetstream lenkt kalte und warme Luft in ungewohnte Richtungen und befeuert so den Klimawandel.

Medienpräsenz ohne Anlegerresonanz?

Union Investment wird ihren seit 2007 bestehenden Fonds „UniSector: Klimawandel“ zum 30.9.2018 auf den Fonds „UniAktien Nachhaltig Global“ verschmelzen. Als Grund wird das mit € 33 Mio. geringe Fondsvolumen angegeben. Allerdings konnte auch der aufnehmende Fonds in den knapp neun Jahren seines Bestehens nur € 157 Mio. gewinnen.

In ihrem Halbjahresbericht zum 30.6.2018 berichtet die Union Investment von einem deutlichen Anstieg nachhaltiger Mandate: € 42 Mrd. im Vergleich zu € 30 Mrd. im Vorjahr (Pressemitteilung vom 24.7.2018), bezieht dies allerdings ausdrücklich auf das gestiegene Interesse institutioneller Investoren. So wird sich das Volumen privater Anleger gegenüber dem Jahresende 2017 nicht proportional erhöht haben. Für den 31.12.2017 wurden die Bestände nachhaltiger Fonds für institutionelle und private Anleger auf € 30,7 Mrd. bzw. € 2,8 Mrd. beziffert. Immerhin wurde ein prozentualer Anteil von 12,6 % des gesamten Mittelvolumens von € 332 Mrd. erreicht.

Eine Durchsicht der angebotenen Fonds zum 1.8.2018 ergibt aktuell ein Volumen von € 914,1 Mio. im aktuellen Angebot der genossenschaftlichen Finanzgruppe. Bei der Sparkassenorganisation ergibt sich (bei höherem Marktanteil) ein Wert von € 1,6 Mrd. beim zentralen Wertpapierdienstleister Deka Investments (Stand 1.8.2018, Quelle: Fondssuche Stichwort „nachhaltig“, ohne Deka Stiftungen Balance CF, € 1,6 Mrd.).

Interessante Vergleichswerte bieten die von Union Investment betreuten Nachhaltigkeitsfonds auf fremde Initiative, die nicht offiziell über alle Genossenschaftsbanken vertrieben werden: Die für einige Kirchenbanken aufgelegten „KCD-Union“ Nachhaltigkeitsfonds haben ein Volumen von € 735 Mio., der von GLS Bank und KD Bank initiierte „FairWorldFonds“ sogar € 956,4 Mio. und damit mehr als die gesamte Fondsfamilie der Finanzgruppe.

Für die Ursachen dieses überraschenden Zahlenbildes gibt es wohl klare Ursachen: Wenig Vertriebsaufwand und fehlende Beraterqualifikation. Dies erscheint eine geeignete Erklärung für die vergleichsweise hohen Volumina der Fonds, die für Banken mit einem vergleichsweise sehr kleinen Marktanteil aufgelegt wurden: Deutlich stärkere Vertriebsanstrengungen und Berater, die hinter den Konzepten stehen.

Der institutionelle Irrglaube

In der genannten Pressemitteilung der Union Investment werden vor allem institutionelle Investoren als Treiber für nachhaltige Mandate genannt. Dies ist insofern richtig, als das diese aktiver Nachhaltigkeit einfordern. Ansonsten befördert der Vergleich von Studien über private und institutionelle Investoren ein erstaunlich stimmiges Bild: Die Menschen in beiden Anlegergruppen fordern Beratung und Transparenz, insbesondere in Hinblick auf die Wirkungen der Geldanlage. Insofern ist die Finanzwelt auf dem richtigen Weg, Nachhaltigkeit vorausschauend an ihren Beiträgen zu den nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) der Vereinten Nationen und nicht länge an historischen Daten wie Energieverbrauch, Gleichstellung und anderen (ESG-)Kriterien zu messen.

Ähnliche Bedürfnisse bei privaten…

Spiegel Online berichtet am 27.10.2017 über eine Studie des Marktforschungsinstituts GfK im Auftrag des Institut für nachhaltige Kapitalanlagen (NKI)Deutsche wollen ihr Geld nachhaltig anlegen – tun es aber nicht: „Das Interesse von deutschen Anlegern an nachhaltigen Geldanlagen ist nicht gerade gering: Immerhin 40 Prozent aller Privatanleger in Deutschland finden nachhaltige Kapitalanlagen so attraktiv, dass sie ihr Geld dort investieren würden. … Doch für ein solches Investment haben sich bislang nur mickrige 4,8 Prozent der Privatanleger entschieden.“

Die Anleger bemängeln vor allem fehlende Transparenz (40%) und unklare Wirkungen für eine nachhaltigere Entwicklung (35%) sowie höhere Risiken (31%) und unzureichende Beratung durch die Hausbank (22%, Mehrfachnennungen möglich). Leider ist diese Einschätzung sehr gut nachvollziehbar und weist den Weg zu einem größeren Markterfolg nachhaltiger Geldanlagen. Den Bericht bei Spiegel Online finden Sie hier: Deutsche wollen ihr Geld nachhaltig anlegen – tun es aber nicht. Auch die zwölfseitige Studie des NKI ist online verfügbar: Nachhaltige Kapitalanlagen bei Privatanlegern.

…und institutionellen Anlegern

In der am 4.6.2018 veröffentlichten Präsentation zur Nachhaltigkeitsstudie 2018 bestätigt die Union Investment dieses Bild – allerdings für institutionelle Anleger: Nachhaltiges Vermögensmanagement institutioneller Anleger 2018 in Deutschland. Interessanter Weise ähneln sich die Aussagen sehr stark: Über die Hälfte der 202 Befragten schätzt den Beratungsbedarf als hoch oder sehr hoch ein (S. 8), 78 % würden mehr in Nachhaltigkeit investieren, wenn Messansätze vorhanden wären (S. 12). Offenbar sind die Bedürfnisse der Menschen (!) beruflich und privat deutlich ähnlicher als vielfach dargestellt.

Klima gerne, Fußabdruck bitte nicht

Einige Anbieter konzipieren ihre Fonds nach dem Klima-Fußabdruck der Unternehmen, deren Wertpapiere sie kaufen. Die Verbraucherzentrale Bremen hatte bereits 2014 verschiedene Fonds verglichen und hatte dabei für Nachhaltigkeitsfonds sehr heterogene Ergebnisse erzielt. M.a.W.: Die CO2-Bilanz und Nachhaltigkeit stehen in keiner engen Beziehung. So kann eine Minimierung von CO2-Werten in Aktienfonds zu sehr unerwünschten Ergebnissen führen, z.B. einem weit überdurchschnittlichen Anteil von Finanzwerten. CO2 und rückschauende Nachhaltigkeitsbewertungen (z.B. „ESG-Scores“) sind in Bezug auf die von den Anlegern gewünschte Wirkungsorientierung nicht zielführend. Mehr dazu im Beitrag Mehr Transparenz bei Investmentfonds.

Leider wird Klimaschutz bzw. CO2-Neutralität oder sogar CO2-Positivität in einen irreführenden Kontext gesetzt. So in Schlagzeilen der Stadt Liverpool und dem dort beheimateten Autoproduzenten BAC: Beide Institutionen kooperieren mit https://poseidon.eco/carbon.html. Poseidon misst vereinfacht den CO2-Ausstoß von Aktivitäten und sorgt für eine Kompensation z.B. Wiederaufforstungsprogramme durch den Dienstleister Ecosphere+. Während die Stadt Liverpool eine Überkompensation ihrer Aktivitäten verspricht, widerspricht sich der Text der entsprechenden Pressemitteilung von BAC vom 28.6.2018. Im Titel verspricht sie „BAC Partners With Poseidon to Become First Car Manufacturer to Go Climate Positive„, im Text ist es dagegen ein Angebot an die Kunden: „Whenever a BAC customer completes a transaction – from purchasing to servicing a Mono – they will be offered the opportunity to make an additional contribution through Poseidon’s platform which goes directly towards forest conservation.“

CO2-Vermeidung der Kompensation überlegen

Anlagen in die Vermeidung von CO2-Ausstößen sind einer (Über-)Kompensation überlegen, da diese erst im Zeitverlauf über die Lebenszeit der gepflanzten Bäume entsteht. Investionen in die Vermeidung können z.B. über Aktien von Unternehmen mit entsprechenden Technologien, Klimaanleihen (Green Bonds) oder auch Schwarmfinanzierungen möglich, die teilweise noch weitere Entwicklungsziele fördern. Einen Überblick bietet die Seite SDG – S(innvoll) D(eponiertes) G(eld).

Klimaschutz ein guter Ansatz, aber…

Die Untersuchungen über Anlegerbedürfnisse legen nahe, dass Anlageprodukte vor allem transparent und glaubwürdig sein sollte. Beide Kriterien sind in der heutigen Produktlandschaft allerdings eher Mangelware. Allerdings macht der Erfolg bestimmter Angebote trotz vergleichsweise schmaler Vertriebsbasis deutlich, dass sie die entscheidenden Erfolgsfaktoren für die Verbindung von Geldanlagen und positiven Nachhaltigkeitseffekten sind.

Um auf die einleitende Frage zurück zu kommen: Weniger verkehrte Welt als Tücke des Konzepts. Stichworte reichen weder den Kunden noch ihren Betreuern. Es bedarf schon viel Transparenz und Glaubwürdigkeit, um ein entsprechendes Produkt „in die Hand zu nehmen“. Werte haben ist notwendig, aber nicht hinreichend für überzeugende Produkte, insbesondere bei Investmentfonds.