Beitragsbild: Xaalys
Der Beitrag FinTech pour la jeunesse vom 26.8. war neuen französischen Finanzdienstleistungsangeboten für junge Menschen gewidmet. Besonders interessant erscheint Xaalys, eine App mit dem Schwerpunkt „Finanzbildung“. Ein Gespräch mit der Gründerin und Chefin lieferte einige interessante Einblicke.
Dr. Ralf Breuer
1. September 2020
Kannten Sie Papayer?
Wahrscheinlich nicht. Bekannt wurde die Idee ganz anders als geplant, als N26. Caspar Tobias Schlenk hat die Ursprungsidee auf der Grundlage der ersten Investorenpräsentation bei FINANCE FWD beschrieben: In ihrem ersten Pitchdeck von 2013 skizzieren die N26-Gründer ein ganz anderes Unternehmen, 21.10.2019. Danach bestand die Idee in einem Konto mit Zahlungskarte, das Jugendliche und Eltern gleichermaßen über eine App kontrollieren und steuern sollten.
Quelle: https://financefwd.com/de/pitchdeck-n26/
Grundsätzlich gibt es solche Angebote auch in Deutschland (z.B. comdirect JuniorGiro, DKB Jugendkonto mit Mastercard oder Visa, Postbank Girocard 12/Visa Prepaid 14, Volkswagen Prepaid Visa ab 7 Jahre). Allerdings etwas eher im Verborgenen. Mehrheitlich werden Konten für junge Menschen als „weniger erwachsene“ Varianten des normalen Angebots geführt, teilweise mit kleineren Extras, z.B. Bezüge zum örtlichen Fussballklub.
Laut Schlenk erwies sich die Idee als nicht tragfähig: „Die Kreditkarten für Jugendliche spielen heute keine große Rolle mehr. Der Markt war zu klein.“
Wieso anderswo und nicht hier?
Die Gründerin von Xaalys, Diana Brondel vermisste in Frankreich genau die von N26 verworfene, in einigen anderen Ländern aber schon länger etablierte Idee: Finanzdienstleistungsangebote zugeschnitten auf die Bedürfnisse von Taschengeldempfängern. Sie verweist dabei insbesondere auf Australien, Großbritannien und die USA, wo sich einige Anbieter genau aus dem Bedürfnis von Eltern heraus entwickelt haben.
Nach den Ausführungen von C. T. Schlenk nannte die den Investoren vorgelegte Präsentation zu „Papayer“ eine Reihe von Beispielen. Insofern stellt sich die Frage, wieso die Idee verworfen wurde, obwohl die Vorbilder im Ausland durchaus respektable Kundenzahlen erreichen konnten.
Knax und Primax bei den Franzosen
In Deutschland dürften Kinder und Jugendliche rechtlich bereits mit sieben Jahren ein Konto mit Zahlungskarte erhalten, in Frankreich erst ab zwölf. In Deutschland erscheinen diese Zielgruppen eher vernachlässigt (vgl. hier im Blog Modern Banking – BankingForFuture?, Nachhaltigere Finanzwirtschaft – Nummer Siebenundachtzig, Nachhaltigere Finanzwirtschaft – Nummer Achtundachtzig.
Dagegen sind in Frankreich einige sehr stark auf Kinder und Jugendliche ausgerichtete Angebote aktiv bzw. in einer späten Projektphase. Während einige Angebote „auch“ für Kinder ab 12 Jahren zugänglich sind, wurden bei einer ganzen Reihe von Anbietern altersgerechte Funktionen, Bildungskomponenten und/oder spielerische Elemente eingebaut. Einen Überblick über aktuelle Projekte im Bereich der FinTech bietet FinTech pour la jeunesse vom 26.8.2020.
Rund 3,2 Mio. Franzosen gehören zur Altersklasse der 12 bis 17jährigen. Sie erhalten jährlich rund € 400 Taschengeld und damit € 1,3 Mrd. an Kaufkraft. 93% verfügen über ein Smartphone und 84% betrachten es als vorrangigen Zugang zum Internet. Studien bzw. Befragungen zur finanziellen Bildung in den Industrieländern führen fast immer zu dem Ergebnis, dass rund 50% der Menschen Mängel in ihren Kenntnissen beklagen, so auch 50% der Erwachsenen in Frankreich (Quelle: Xaalys).
Xaalys
Im April 2019 ging Xaalys als Angebot für 12 bis 17jährige an den Start und vermeldet aktuell mehr als 30.000 Nutzer. Xaalys richtet sich konkret auf die immer wieder geäußerten Defizite der (eigenen) Finanzbildung und kooperiert inhaltlich mit Lafinancepourtous (Finanzen für Alle), einem vom französischen Bildungsministerium anerkannten Finanzbildungsportal. Das Portal von dem L’Institut pour l’Education Financière du Public (IEFP) (Institut für die Finanzbildung der Öffentlichkeit) betrieben. Das IEFP wird von der Zentralbank (Banque de France), der Finanzmarktaufsicht (l’Autorité des Marchés Financiers), dem Bankenverband (Fédération Bancaire Française) und damit den großen Finanzgruppen unterhalten.
Das IEFP liefert in der Partnerschaft die Inhalte für die kostenlose App (Xaalys Free) und das mit einer Zahlungskarte verbundene „Xaalys Premium“.
Eine weitere Partnerschaft besteht mit dem JCEF, der „Jeune Chambre Economique Francais“, einem Zusammenschluss für unternehmerisches Engagement in der Zivilgesellschaft, die lokalen bzw. regionale Büros betreibt.
Quelle: Xaalys
Xaalys startete 2018 mit einer Finanzierung von € 450.000 und konnte nach Auskunft der Gründerin zwischenzeitlich € 1,1 Mio einwerben, u.a. von France Telekom. Nach ihren Angaben begann sie mit Xaalys, weil sie für ihre eigenen Kinder ein solches Angebot in Frankreich vermisste. Einen Einblick in die Konzeption vermittelt das Pressedossier (FR).
Foto: Diana Brondel via Licence K
Die Marke bedeutet in der Landessprache des Senegal (Wolof) „Geld“. Die Gründerin hat senegalische Wurzeln, lebte in ihrer Kindheit allerdings zunächst in Deutschland (Anm.: Nur etwa 10 Kilometer vom Autor entfernt).
Rund drei Viertel des Teams von Xaalys lebt und arbeitet im Senegal, vor allem an der Technik hinter dem Angebot.
Foto: Xaalys
Neben der Zentrierung auf finanzielle Bildung bzw. Erziehung und der Verteilung des Teams auf die Standorte Dakar, Senegal und Paris will sich Xaalys von anderen Anbietern auch dadurch abgrenzen, dass eine Nutzung der Kundendaten nicht angestrebt wird. Hier gibt es wesentliche Unterschiede, da konkurrierende Angebote gerade hierauf und/oder die Weckung von Konsumwünschen über rabattierte Partnerangebote abzielen.
Xaalys – das Angebot
Das Angebot besteht in einer kostenlosen App mit Bildungsinhalten, Spielen, Wunschlisten und anderen Funktionen für junge Menschen sowie einem erweiterten Angebot mit Konten für Eltern und Jugendliche einschließlich einer Direct Debit Mastercard für € 2,99 monatlich, zwei weitere junge Nutzer können für jeweils zusätzliche € 2 p.m. eingerichtet und über die gleiche App betreut werden.
Quelle: www.xaalys.com
Bei Xaalys erhalten die Eltern Möglichkeiten der Einsichtnahme und Kontrolle, die aber (mit forschreitendem Alter mit gegenseitigem Einverständnis) selbst angepasst werden kann. Angebote für junge Erwachsene plant Xaalys derzeit nicht. Die Gründerin zeigte sich offen für eine Kooperation oder auch einer Fortentwicklung des Ökosystems für junge Erwachsene. Im aktuellen Stadium will sich das Team allerdings voll auf den Aufbau der Kernidee konzentrieren.
Aufgrund der starken Betonung von Inhalten ist eine internationale Ausdehnung von Xaalys beschränkt. Allerdings bietet der frankophone Sprachraum in Afrika noch deutliche Potenziale – mit erheblichen Anteilen von Menschen, die mit Finanzdienstleistungen un(ter)versorgt sind. Damit könnte Xaalys einen Beitrag zur finanziellen Inklusion und damit der nachhaltigen Entwicklung der Region leisten.
Fazit
Bei den Angeboten für Kinder und Jugendliche herrscht in Frankreich deutlich mehr Aktivität und Vielfalt als in Deutschland, wie der Beitrag FinTech pour la jeunesse zeigt. Auch die etablierten französischen Bankengruppen erscheinen hier deutlich aktiver.
Die Argumente der N26-Gründer für die Aufgabe der Ursprungsidee erscheinen wenig schlüssig: Laut Destatis – Statistisches Bundesamt gibt es in Deutschland 11,6 Mio. Haushalte mit Kindern, von denen 3,75 Mio. den Altersklassen 12 bis 17 zugehören. Laut Taschengeldtabelle, Stand 1.9.2020 liegt die mittlere Empfehlung bei monatlich rund € 29 bzw. € 350 p.a., so dass diesen Altersklassen jährlich rund € 1,3 Mrd. zufließen. (Anm.: Die Höhe in Frankreich dürfte durch die längeren Schulzeiten und damit erhöhten Ausgaben außer Haus erklärt sein).
Die Jugendkonzepte der großen Finanzgruppen wirken eher angestaubt und frei von (finanz-)didaktischen Ansprüchen. Neue Aktivitäten wirken eher unfertig (Nachhaltigere Finanzwirtschaft – Nummer Siebenundachtzig). Vielleicht wäre es an der Zeit, die alten Präsentationen von „Papayer“ abzustauben?