Beitragsbild: Xaalys
Der Beitrag FinTech à la française war am 4.8.2020 einem Überblick über die elektronischen Finanzdienstleistungsangebote sowie einem Einblick in aktuelle FinTech-Projekte mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit bzw. Klimaschutz gewidmet. Die Angebote für junge Menschen, Jugendliche und Kinder halten für deutsche Augen weitere Überraschungen bereit. Voilà!
Dr. Ralf Breuer
26. August 2020, English abstract 27.8.2020, ergänzt 2.9.20 (Hinweis auf einen Beitrag zu Xaalys)
English abstract
Do you know Papayer? Presumably not. It was the name of the project the founders of N26 were pitching with back in 2013. The idea was to cover parents and their kids with cards and parental control in an app. The idea turned into N26 because the founders (and probably potential investors) did not see the critical mass. Really? 14m households with some 8m children 7-17y eligible for a bank account?
Looking into the French market now tells a different story: 3.2m young clients 12-17y (as 12y is the minimum age in France) are currently targeted by numerous banks and fintech. I had a closer look at some of them. Some seem to seek attractiveness via fuelling consumption while others prove to be educative and usefull at the same time.
Kannten Sie Papayer?
Wahrscheinlich nicht. Bekannt wurde die Idee ganz anders als geplant, als N26. Caspar Tobias Schlenk hat die Ursprungsidee auf der Grundlage der ersten Investorenpräsentation bei FINANCE FWD beschrieben: In ihrem ersten Pitchdeck von 2013 skizzieren die N26-Gründer ein ganz anderes Unternehmen, 21.10.2019. Danach bestand die Idee in einem Konto mit Zahlungskarte, das Jugendliche und Eltern gleichermaßen über eine App kontrollieren und steuern sollten.
Quelle: https://financefwd.com/de/pitchdeck-n26/
Grundsätzlich gibt es solche Angebote auch in Deutschland (z.B. comdirect JuniorGiro, DKB Jugendkonto mit Mastercard oder Visa, Postbank Girocard 12/Visa Prepaid 14, Volkswagen Prepaid Visa ab 7 Jahre). Allerdings etwas eher im Verborgenen. Mehrheitlich werden Konten für junge Menschen als „weniger erwachsene“ Varianten des normalen Angebots geführt, teilweise mit kleineren Extras, z.B. Bezüge zum örtlichen Fussballklub.
Laut Schlenk erwies sich die Idee als nicht tragfähig: „Die Kreditkarten für Jugendliche spielen heute keine große Rolle mehr. Der Markt war zu klein.“
Umso bemerkenswerter ist die aktuelle Entwicklung in Frankreich, wo neben vielen etablierten Banken gerade mehrere FinTech mit Jugendangeboten starten und dabei z.T. ein beeindruckendes Interesse berichten: So meldet Vybe (s.u.) bereits vor dem Start mehr als 270.000 Downloads der App.
Knax und Primax bei den Franzosen
In Deutschland dürften Kinder und Jugendliche rechtlich bereits mit sieben Jahren ein Konto mit Zahlungskarte erhalten, in Frankreich erst ab zwölf. In Deutschland erscheinen diese Zielgruppen eher vernachlässigt (vgl. hier im Blog Modern Banking – BankingForFuture?, Nachhaltigere Finanzwirtschaft – Nummer Siebenundachtzig, Nachhaltigere Finanzwirtschaft – Nummer Achtundachtzig.
Dagegen sind in Frankreich einige sehr stark auf Kinder und Jugendliche ausgerichtete Angebote aktiv bzw. in einer späten Projektphase. Während einige Angebote „auch“ für Kinder ab 12 Jahren zugänglich sind, wurden bei einer ganzen Reihe von Anbietern altersgerechte Funktionen, Bildungskomponenten und/oder spielerische Elemente eingebaut.
Rund 3,2 Mio. Franzosen gehören zur Altersklasse der 12 bis 17jährigen. Sie erhalten jährlich rund € 400 Taschengeld und damit € 1,8 Mrd. an Kaufkraft. 93% verfügen über ein Smartphone und 84% betrachten es als vorrangigen Zugang zum Internet. Studien bzw. Befragungen zur finanziellen Bildung in den Industrieländern führen fast immer zu dem Ergebnis, dass rund 50% der Menschen Mängel in ihren Kenntnissen beklagen, so auch 50% der Erwachsenen in Frankreich (Quelle: Xaalys).
Neben einigen Banken und Onlinebanken sind auch einige FinTech auf Kinder und Jugendliche ausgerichtet. Hier einige Beispiele:
Kard
Das kostenlose Angebot von Kard ist im Kern eine (britische) Prepaid Mastercard mit einigen zusätzlichen Funktionen in der App. Es erlaubt den Eltern lediglich einen Einblick in den Saldo des Kartenkontos, nicht aber in die Transaktionen. Die Grundfunktionen bestehen in Echtzeitüber- weisungen, Transaktionsbenachrichtungen und der Möglichkeit, die Karte zu sperren bzw. zu entsperren.
Als zusätzliche Dienste werden das Teilen von Ausgaben in der App (partager) und Rabatte bei Partnern angeboten. Allerdings bleibt völlig offen, wo dies der Fall sein wird. Wie bei französischen Anbietern weit verbreitet, werden für Freundschaftswerbungen Prämien angeboten, in diesem Fall je € 1,00 für Werber und Geworbene.
La Banque Postale/Ma French Bank
Die französische Postbank hat hat bereits zwei Angebote für Kinder und Jugendliche: compte jeune (16-29 Jahre), carte regliss (Prepaid Visa, 12-17). Über ihre Mobilmarke „Ma French Bank“ plant sie – ebenso wie die Orange Bank – ab Oktober ein weiteres mobil konzipiertes Angebot (Orange Bank et La Poste lanceront des offres bancaires digitales pour les mineurs à la rentrée, La Revue du Digital, 2.7.2020). Mit ihrem Inkubator „platform 58“ ist die Bank indirekt an einem weiteren Angebot für Jugendliche beteiligt, dass Ende November 2019 startete:
pixpay
pixpay hatte nach eigenen Angaben vor dem Start bereits 100.000 Registrierungen. Allerdings wurde Mitte März von lediglich 10.000 Nutzern berichtet. Das Angebot richtet sich an 10 bis 18jährige Kunden. Die Eltern haben über einen (App-)Spiegel volle Einsicht in die Transaktionen und können bestimmte Zahlungen (z.B. online) blockieren. Mehrere Kinder können in der App zusammen begleitet werden,
Für € 2,99 monatlich richtet pixpay ein Konto mit französischer IBAN ein. Die jungen Kunden erhalten eine personalisierte Debit Mastercard. Neben der Möglichkeit von Echtzeitüberweisungen werden auch Transaktionen in Echtzeit gemeldet.
In der App kann eine Cashback Funktion (Pix&Love) aktiviert werden, über die Zahlungen bei etwa einigen Partnerunternehmen (u.a. McDonald’s und eine Kinokette) mit 5 bis 10% rückvergütet werden.
Quelle; Pixpay via Instagram
Bemerkenswert ist die Finanzausstattung von pixpay: Nach der initialen Finanzierung von € 3 Mio. im Mai 2019 konnten im März 2020 weitere € 8 Mio. eingeworben werden. Neben dem Bestandsinvestor Global Founders Capital (GFC) beteiligte sich neu auch bpifrance (Communiqué de Presse 13.3.2020).
Revolut Junior
Im Mai 2020 startete auch in Frankreich „Revolut Junior“ für Kinder und Jugendliche im Alter von 7 bis 17 Jahren. Das Angebot ähnelt stark dem zeitgleich in Deutschland lancierten (Nachhaltigere Finanzwirtschaft – Nummer Achtundachtzig), weicht allerdings in Einzelheiten ab. So gibt es in Frankreich eine App, mit der „Hinzuverdienste“ durch Aufgaben wie Lesen, Tischdecken und Aufräumen eingerichtet und vergütet werden können.
In Frankreich können im Tarif Premium (€7,99 p.m.) je ein Unterkonto und bei Metal (€13,99 p.m.) zwei bis fünf Unterkonten eingerichtet werden. Die Nutzung der Juniorkarten ist auf € 40 monatlich begrenzt. Ähnlich wie bei anderen Angeboten haben die Eltern Einblick in die Nutzung der Juniorkonten.
Revolut plant, die Funktionen der App weiter auszubauen, z.B. durch Sparkomponenten und die Möglichkeit der Einsicht beider Elternteile (MA-NEOBANQUE.COM, 13.5.2020.
Vybe
Im September 2020 plant mit Vybe für die Altersgruppe 12 bis 25 Jahre den Marktstart. Die Gründer sind mit 21 bis 25 Jahren bemerkenswert jung und sind im August 2019 mit einem Nominalkapital von € 200 (!) gestartet. Nach einer Finanzierungsrunde von € 2,2 Mio. im Juli veröffentlichte Vybe beeindruckende Zahlen: 900.000 Registrierungen, 270.000 Downloads und 170.000 Vorbestellungen für das kostenlose (britische) Konto mit einer Direct Debit Mastercard.
Die in sozialen Medien und gegenüber der Presse genannten Zahlen werden in französischen Fachkreisen bezweifelt. Vybe hatte zwar im Zeitraum April bis Juni 2020 sehr aktiv z.B. mit wöchentlichen Gewinnspielen und sehr attraktiven Preisen (Einkäufe, Fallschirmsprung etc.) für weiteres Interesse geworben, (https://www.instagram.com/vybecard/), allerdings liegt die Zahl der Abonnenten (Instagram 48.900, Facebook 290, Stand 26.8. 9:30h) deutlich unter den genannten Zahlen. Auch die Zahl der Kommentare und „gefällt mir“ zu den Gewinnspielen bei Instagram lag bei maximal über 7.000 bzw. 3.000 mit zuletzt rückläufiger Tendenz.
Vybe wirbt mit „4.000 Markenpartnerschaften“ u.a. mit den Ketten UGC (Kino), Fnac (Unterhaltungselektronik/Medien) sowie Deliveroo (Restaurantlieferung). Zahlungen an diese Partner würden mit 2 bis 4% rabattiert (Cashback). Allerdings fehlen belastbare Grundlagen für die Existenz dieser „Partnerschaften“, aus denen Vybe durch Empfehlungen an die eigenen Nutzer profitieren möchte. – Das Geschäftsmodell von Vybe baut ausdrücklich auf der Nutzung der generierten Profildaten gegen kostenfreie Finanzdienstleistungen auf.
Vybe hat „angepasste Sparkompenten“ vorgesehen: Automatisches Aufrunden, Budgetierung und nennt auch die Rabatte aus den Partnerschaften unter „Sparen“.
Vor dem Hintergrund der verwirrenden Informationen darf der Marktstart gespannt erwartet werden. Die Aufnahme von Vybe in französischen Medien ist eher verhalten, z.B. MA-NEOBANQUE.COM, 3.1.2020
Xaalys
Im April 2019 ging Xaalys als Angebot für 12 bis 17jährige an den Start und vermeldet aktuell mehr als 30.000 Nutzer. Xaalys richtet sich konkret auf die immer wieder geäußerten Defizite der (eigenen) Finanzbildung und kooperiert inhaltlich mit Lafinancepourtous (Finanzen für Alle), einem vom französischen Bildungsministerium anerkannten Finanzbildungsportal. Das Portal von dem L’Institut pour l’Education Financière du Public (IEFP) (Institut für die Finanzbildung der Öffentlichkeit) betrieben. Das IEFP wird von der Zentralbank (Banque de France), der Finanzmarktaufsicht (l’Autorité des Marchés Financiers), dem Bankenverband (Fédération Bancaire Française) und damit den großen Finanzgruppen unterhalten.
Eine weitere Partnerschaft besteht mit dem JCEF, der „Jeune Chambre Economique Francais“, einem Zusammenschluss für unternehmerisches Engagement in der Zivilgesellschaft, die lokalen bzw. regionale Büros betreibt.
Quelle: Xaalys
Das Angebot besteht in einer kostenlosen App mit Bildungsinhalten, Spielen, Wunschlisten und anderen Funktionen für junge Menschen sowie einem erweiterten Angebot mit Konten für Eltern und Jugendliche einschließlich einer Direct Debit Mastercard für € 2,99 monatlich, zwei weitere Kinder können für je € 2 p.m. zusätzlich eingerichtet und über die gleiche App betreut werden. Auch bei Xaalys erhalten die Eltern Möglichkeiten der Einsichtnahme und Kontrolle, die aber (mit forschreitendem Alter mit gegenseitigem Einverständnis) selbst angepasst werden kann.
Xaalys startete 2018 mit einer Finanzierung von € 450.000 und konnte nach Auskunft der Gründerin zwischenzeitlich € 1,1 Mio einwerben, u.a. von France Telekom. Nach ihren Angaben begann sie mit Xaalys, weil sie für ihre eigenen Kinder ein solches Angebot in Frankreich vermisste. Einen Einblick in die Konzeption vermittelt das Pressedossier (FR).
Mehr zu Xaalys: Xaalys – im Gespräch mit CEO Diana Brondel
Ein kleiner Exkurs über den Kanal
(eingefügt 27.11.2020)
Über Twitter wurde am 27.11. nachfolgendes Ergebnis eines von der neunjährigen Amy in Großbritannien durchgeführten Tests von Kinderangeboten verbreitet.
Quelle: Optima Consultancy/von Chris Skinner via Twitter 27.11.2020, 9:04h
Neben dem Ergebnis und der Aufbereitung ist auch der Text darunter bemerkenswert: Amy würde gerne mit Spenden die Finanzbildung sowie das mentale und physische Wohlbefinden an der Schule fördern!
Fazit
Auch bei den Angeboten für Kinder und Jugendliche herrscht in Frankreich deutlich mehr Aktivität und Vielfalt als in Deutschland. Insofern ähnelt das Bild der gesamten FinTech-Szene (FinTech à la française). Mit Ma French Bank und Orange Bank werden zwei weitere große Anbieter aktiv, die interessante weitere Konzepte vorstellen könnten.
Unter den hier vorgestellten FinTech bietet Kard für Eltern und Jugendliche den geringsten Zusatznutzen. Nickel und andere Anbieter (vgl. FinTech à la française) sind durchaus vergleichbar. Revolut geht da schon etwas weiter in den Familienbedürfnissen. pixpay und Vybe bieten zwar Anreize für die jungen Nutzer und nutzen hierfür auch die sozialen Medien, allerdings dürften Eltern deren Verbindung mit (zusätzlichem?) Konsum zu Recht kritisch sehen. Xaalys dagegen hat ein beachtliches Potenzial für eine weitere Skalierung: Das technische Team operiert ohnehin in Dakar, Senegal, und der frankophone Bereich in Afrika ist sowohl mit Finanzdienstleistungen als auch finanzieller Bildung un(ter)versorgt. Auch kann das Konzept in Richtung älterer Nutzer weiterentwickelt werden.
In Deutschland findet dagegen nur sehr wenig statt. Die Jugendkonzepte der großen Finanzgruppen wirken eher angestaubt und frei von (finanz-)didaktischen Ansprüchen. Neue Aktivitäten wirken eher unfertig (Nachhaltigere Finanzwirtschaft – Nummer Siebenundachtzig). Vielleicht wäre es an der Zeit, die alten Präsentationen von „Papayer“ abzustauben?