Beitragsbild/Bild: EU Kommission
Vor rund drei Jahren, im März 2018 präsentierte die EU-Kommission ihren Aktionsplan für nachhaltige Finanzierungen vor. Am 6.7.2021 stellte sie eine Aktualisierung als „EU Sustainable Finance Strategy“ vor. Insbesondere werden die Ziele in Bezug auf nicht-ökologische Nachhaltigkeitsziele, die Adressierung kleiner und mittlerer Unternehmen sowie die Erfassung von Nachhaltigkeitsrisiken in externer Berichterstattung und Risikomanagement weiter präzisiert. Zusätzlich wird auch die internationale Zusammenarbeit in Hinblick auf die Unterstützung ärmerer Staaten weiter ambitioniert.
Mit der Anpassung der Beratungsrichtlinien (u.a. MiFIDII und IDD ab 2022) und einer Ausweitung der Berichtspflichten (CSRD ab dem Berichtsjahr 2023) reichen Nachhaltigkeitsthemen immer weiter in die Organisation und auch die tägliche Außenkommunikation von Finanzinstituten hinein. Hierfür erscheint die Finanzwirtschaft allerdings in Teilen noch nicht vorbereitet.
Dr. Ralf Breuer
9. Juli 2021
Stärker, tiefer, weiter…
In den vergangenen drei Jahren brachte die EU-Kommission wohl so viele Regulierungsvorhaben für die Finanzmärkte auf den Weg wie in den vorausgegangenen beiden Dekaden nicht. Neben Klagen über eine „Regulierungswelle“ oder auch einen „regulatorischen Tsunami“ finden die Vorhaben viel Zustimmung, da sie die Finanzmärkte und indirekt die Realwirtschaft zielgerichtet zu einem nachhaltigen Umbau der europäischen Wirtschaft führen sollen, der weit über das Ziel der Klimaneutralität ab 2050 hinausreicht.
Die Aktualisierung der Strategie verstärkt noch einmal die Ambitionen der EU-Kommission und die Reichweite des Aktionsplans:
- Integration von Nachhaltigkeitsrisiken (ESG-Risiken) aller Investments und Kredite in die Risikomanagementsysteme von Banken und Versicherungen – aufbauend auf der Erkenntnis, dass die Wirtschaft sich in den nächsten 20 Jahren fundamental in Richtung Kreislaufwirtschaft, Dekarbonisierung und Ressourcenschutz verändern muss. Alle zukünftigen Investitionen müssen dahingehend geprüft werden, wie sie mit diesen Zielen in Einklang zu bringen sind oder welche Risiken sie beherbergen
- Der Verlust von Artenvielfalt/Biodiversität ist ein ähnlich eklatantes Thema für den Finanzmarkt wie der Klimawandel und muss in die Risikomodelle integriert werden
- Umfassende, integrierte Berichterstattung über Nachhaltigkeits-Faktoren im Lagebericht und die Bilanzierung der Unternehmen
- Kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) sollen nun ausdrücklich in Sachen Transformation, Digitalisierung und Resilienz gestärkt werden, da sie das Rückgrat der europäischen Wirtschaft sind
- Europa als führender Akteur, der auch ärmeren Ländern Möglichkeiten zur Finanzierung von mehr Nachhaltigkeit eröffnet
Die Kommission fasst ihre Aktualisierung unter vier Kernbotschaften zusammen:
- Umbau der europäischen Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit, insbesondere Klimaneutralität 2050
- Ein „inklusives“ Rahmenwerk, dass auch kleine und mittlere Unternehmen und Endverbraucher adressiert
- Stärkung der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit (Resilienz) über die Berichterstattung, Integration von Nachhaltigkeitsrisiken und u.a. wissenschaftlich basierte Klimaziele
- Stärkung globaler Ambitionen, u.a. durch staatliche Zusammenarbeit
Mit der Aktualisierung werden die Ambitionen der Kommission noch einmal verstärkt, vertieft und über ökologische Aspekte bzw. den Klimaschutz hinaus präzisiert. Es wurde u.a. auch klar avisiert, dass die Taxonomie auf soziale Aspekte ausgeweitet wird.
Zum ursprünglichen Aktionsplan vgl. u.a. Nachhaltigere Finanzwirtschaft – Aktionsplan der EU-Kommission und Der Aktionsplan der EU-Kommission geht in die Umsetzung
Auch die EZB wird „grüner“
Zwei Tage nach der EU-Kommission präsentierte die Europäische Zentralbank EZB ihre aktualisierte Strategie (Pressemitteilung 8.7.2021 (EN). Die Bank stellt vor allem die Bedeutung des Klimawandels und der Energiewende als zentrale Aspekte geldpolitischer Stabilität in den Fokus. So werden für die Bewertung von Sicherheiten und Vermögenspositionen ausdrücklich Angaben zu ökologischen Nachhaltigkeitsaspekten verpflichtend. In der Risikoanalyse werden unmittelbare und mittelbare Klimarisiken weiter vertieft.
Ihre Absichten für eine „grünere“ Geldpolitik mit stärkerer Berücksichtigung des Klimaschutzes beschreibt die die EZB in einer eigenständigen „Roadmap“, die vor allem die Datengewinnung und den Wissensaufbau als zentrale Elemente fokussiert: What’s our roadmap to greening monetary policy?.
Nicht nur „grün“ im Fokus
Vieles in den Ambitionen von Kommission und EZB liest sich „grün“, vor allem auf den Klimawandel und die Energiewende ausgerichtet. Tatsächlich aber reichen die Ambitionen weit darüber hinaus, insbesondere in Richtung auf soziale Aspekte, die Widerstandsfähigkeit der europäischen Gesellschaften. Die Pandemie hat viele gesellschaftliche Probleme aufgedeckt, die gewissermaßen „in einem Zug“ mit dem Klimawandel angegangen werden müssen. Insofern steht hinter den Plänen ein umfassendes, nicht nur rein ökologisch ausgerichtetes Nachhaltigkeitsverständnis. Dies war im Aktionsplan der EU zeitweise etwas diffus (vgl. What goes wrong with #SustainableFinanceEU?).
Die Finanzwirtschaft sollte sich rüsten
Mit den Ambitionen von EU-Kommission und EZB werden die Trends zur Verstärkung von Nachhaltigkeitsthemen in der Finanzwirtschaft noch einmal verstärkt. Zukünftig (ab 2023) wird sich die Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen in Deutschland verdreissigfachen (vgl. Nachhaltigere Finanzwirtschaft 2021 #sieben) und auch die Zahl berichtender Finanzunternehmen wird deutlich steigen. Zusätzlich wird die Verpflichtung zur Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen im Kundengeschäft die Thematik in der täglichen Außenkommunikation weiter akzentuieren. Vor diesem Hintergrund sind die jüngsten Aktivitäten von EU-Kommission und EZB auch als weitere Aufforderung zu werten, sich in der Finanzwirtschaft stärker für nachhaltige Themen – und nicht nur den Klimawandel und seine Folgen – zu rüsten.