Beitragsbild: IDW Positionspapier – Sustainable Finance als Teil der nachhaltigen Transformation, Auswirkungen auf Kreditinstitute, 30.9.2020

Inhalt: Nachhaltigkeitsrisiken in der Praxis; HSBC – ein Rennen zu Klimaneutralität; EZB-Präsidentin fordert „grüner“; Verifizierung von Klimazielen; Biodiversität ein neues Kernthema; Volkswagen: Erste „grüne Anleihen“; TreeCard – powered by Ecosia; Tomorrow: Träume von heute, Preise von morgen?;  Seminar/Veranstaltungstermine: VÖB Zertifizierter Kundenberaterlehrgang für nachhaltige Geldanlagen (MifidII); VÖB Zertifikatslehrgang „Sustainable Finance Manager“; Datenschutz/DSGVO

Die Beiträge in „Nachhaltigere Finanzwirtschaft“ fassen in loser Folge Nachrichten zusammen, die auf die Entwicklung hin zu einem „Mehr“ an Nachhaltigkeit und andere interessante Entwicklungen im Finanzsektor hinweisen.

20. Oktober 2020

Dr. Ralf Breuer

Nachhaltigkeitsrisiken in der Praxis

Das Institut der Wirtschaftsprüfer IDW und KPMG Schweiz haben Leitfäden für die Handhabung von Nachhaltigkeitsrisiken in der Kreditwirtschaft veröffentlicht. Dem Bankenfachausschuss (BFA) des IDW ist es dabei anschaulich gelungen, die von der BaFin im „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ vom 20.12.20 offen gelassenen Punkte auszufüllen. In knappster Form werden die Aufgaben für die einzelnen Institute beschrieben und in einer übersichtlichen Weise zusammengefasst:

2020-09-30 IDW Herausforderungen

Quelle: IDW Positionspapier – Sustainable Finance als Teil der nachhaltigen Transformation, Auswirkungen auf Kreditinstitute, 30.9.2020: Positionspapier Bankenfachausschuss IDW

Auch die KPMG Schweiz hat wertvolle Hinweise zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen zusammengestellt und betont den dringenden Handlungsbedarf für die Kreditwirtschaft: KPMG (CH): ESG Risiken bei Banken

HSBC – ein Rennen zu Klimaneutralität

Der Vorstand Corporate & Institutional Banking von HSBC Deutschland sieht die Finanzbranche bereits in „einem Rennen um Klimaneutralität“ (race to net zero). Gemeint ist damit eine Wirtschaft ohne den Ausstoß von Treibhausgasen, nicht eine kompensierte Neutralität. Der Übergang zu Net Zero berge Risiken und Chancen. Unternehmen müssen sich insbesondere der „Übergangsrisiken (Transition Risks)“ bewusst sein und sie professionell managen.

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In einer am 14.10.2020 veröffentlichten Studie der Bank stellte sie fest, dass Nachhaltigkeit trotz oder gerade wegen der Pandemie bei Emittenten und Investoren an Stellenwert gewonnen hat.

„Mehr als die Hälfte der befragten Anleger und sogar drei Viertel der Emittenten gaben an, dass die Pandemie ihr Engagement für Umwelt, Soziales und Governance (ESG) verstärkt habe oder zu der Überzeugung führte, dass  sie dem Thema bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hätten. Von den insgesamt 2.000 Befragten schätzen mehr als 90 Prozent ESG als wichtig oder sehr wichtig ein.“

Quelle: HSBC Deutschland Pressemitteilung 14.10.2020

HSBC betrachtet Nachhaltigkeit mittlerweile als Teil der Geschäftsgrundlage im Kern, nicht als „Zusatz“ im Sinne sozialen oder ökologischen Engagements.

EZB-Präsidentin fordert „grüner“

Die Präsidentin der europäischen Zentralbank EZB sprach am 14.10.2020 beim „runden Tisch“ der Umweltorganisation der Vereinten Nationen UNEP FI. Dabei stellte sie fest, dass aktuell nur ein Drittel des Finanzierungsbedarfs für umweltorientierte Finanzierungen gedeckt sei.

Bei dieser Gelegenheit stellte sie erneut auch die „Marktneutralität“ der Zentralbank in Frage. Die EZB sollte gegebenenfalls mit einer höheren „grünen“ Gewichtung als der gesamte Anleihemarkt investieren.

Verifizierung von Klimazielen

Eine Gruppe prominenter Finanzinvestoren hat einen „Protokollentwurf“ zur Verifizierung von Klimazielen bei Unternehmen vorgestellt. Hierdurch soll für Investoren nachvollziehbar ob Zielunternehmen sich auf einem Pfad Richtung (echter, nicht neutralisierter) Klimaneutralität bewegen.

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Dieses Protokoll ist ein weiterer wichtiger Baustein für die Finanzbranche hin zu einer zukunftsgerichteten Nachhaltigkeit. Für die Finanzbranche ist Nachhaltigkeit längst nicht mehr nur „ESG“, sondern weitgehend holistisch auf eine ganzheitliche zukünftige Entwicklung im Sinne der Agenda 2030 und ihrer 17 Ziele gerichtet. Klima hat dabei prioritätsbedingt ein besonderes Gewicht.

Die Liste der Unterzeichner illustriert den bereits weit entwickelten Konsens:

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Quelle: UNEP_FI via Twitter

Biodiversität ein neues Kernthema

Vor allem die niederländische Finanzbranche herrscht ein großes Bewusstsein für die auch finanziellen Folgen weiterer Verluste an Biodiversität. Über die niederländische Förderbank FMO wurde am 14.10. eine Studie veröffentlicht, die dem Finanzsektor hilft, möglicherweise zu weiteren Rodungen führende Finanzierungen zu erkennen und zu vermeiden. Weitere Informationen (EN): Financial sector publishes report on combating deforestation October 14, 2020.

Volkswagen: Erste „Grüne Anleihen“

Volkswagen hat zwei „Green Bonds“ mit € 1,25 Mrd./8 Jahre und € 750 Mio/12 Jahre platziert. Sie bieten Kupons von 0,875% bzw. 1,25%. Laut „Climate Bonds“ waren die Emissionen 5,4fach bzw. 6,3fach überzeichnet. VW konnte gegenüber konventionellen Anleihen Verzinsungsvorteile („greenium“) von 0,45% bzw. 0,424% (grüne Punkte in der Grafik unten).

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Es sind die ersten Emission auf Basis des im März 2020 vorgestellten Green Finance Framework von Volkswagen für auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Finanzinstrumente. Die Mittel fließen projektgebunden in den modularen E-Antriebsbaukasten sowie neue reine Elektromodelle.

TreeCard – powered by Ecosia

Die Suchmaschine Ecosia verwendet ihre Gewinne aus Werbeeinnahmen seit mehr als einem Jahrzehnt für Aufforstungsprogramme und hat nach eigenen Angaben bereits 111 Mio. Baumpflanzungen finanziert. Ecosia hat derzeit 15 Mio. aktive Nutzer.

Das Unternehmen hat sich nun mit einem Minderheitsanteil von € 1 Mio. am FinTech-Projekt „TreeCard“ beteiligt. Die Investorensuche ist allerdings noch nicht abgeschlossen.

Als Alleinstellungsmerkmal besteht die kostenfreie Zahlungskarte von Mastercard aus Holz als Trägermaterial. 80% der Gewinne sollen in Aufforstungsprogramme fließen. Gründer und CEO Jamie Cox erwartet, dass so 30 bis 40 Bäume pro europäischem Nutzer (USA: 120) gepflanzt werden könnten (Finance FWD 15.10.2020 (DE). Das sechsköpfige Team hat seinen Sitz in Berlin und London. Es ist ein Marktstart in beiden Ländern geplant, allerdings noch kein Bankpartner identifiziert.

Die Verbindung von Erträgen aus Zahlungsdiensten mit Baumpflanzungs- bzw. -schutzprogrammen wird in Deutschland z.B. auch von bunq oder Tomorrow (s.u.) angeboten. Eine Zahlungskarte mit dem Trägermaterial Holz gab es wohl noch nicht.

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Bisher sind bereits Karten aus Bioplastik (PLA) oder Ozeanplastik(-müll) gefertigt und angeboten worden. Der Nachteil von Bioplastik besteht bei Holz nur sehr eingeschränkt. Laut Gründer Cox können aus dem Holz eines der verwendeten Kirschbäume 200.000 Karten hergestellt werden. (Anmerkung: Tomorrow aus Hamburg hatte Stand 19.10.2020 knapp zwei Jahre nach dem Marktstart 42.000 Nutzer mit Karten). Bei PLA (vor allem Maisstärke) steht die Herstellung dagegen in einer Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion.

Allerdings können physische Zahlungskarten aus keinem der Materialen zu deutlich mehr als 80% ökologisch einwandfrei gelten, da sie mit Antennen, Chips, Magnetstreifen und ggf. Deckschichten in allen Fällen wertvollere Rohstoffe enthalten. Die TreeCard soll allerdings auch elektronisch, z.B. über ApplePay oder GooglePay verwendbar sein.

Den Aufbau der Karten hat gohenry aus Großbritannien (Zahlungskarten für Kinder und Jugendliche) erfreulich transparent dargestellt. Das Trägermaterial ist PLA, ein Biokunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen.

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Quelle: gohenry (UK) Blog: Meet our new, biodegradable Eco Card, 20-5-2020 (EN)

Tomorrow: Träume von heute, Preise von morgen?

(aktualisiert aus Nachhaltigere Finanzwirtschaft – Nummer Zweiundneunzig vom 6.10.2020)

Das Hamburger FinTech Tomorrow hob sich bisher recht angenehm von vielen anderen Anbietern ab („Mobile Banking für ein besseres Morgen“). Tomorrow startete im November 2018 (vgl. Nachhaltigere Finanzwirtschaft – Nummer Sechsundfünfzig) und konnte zwischenzeitlich mehr als 40.000 Kunden gewinnen. Allerdings nutzen diese überwiegend das kostenfreie Angebot (aktuell Girokonto und direkt Debit Visa). Auf der Grundlage von Unternehmensangaben fand das Angebot „Zero“ (vgl. Nummer Sechsundachtzig) mit Monatsgebühren von € 15 bisher bisher nur etwas mehr als 1.600 Interessenten bei den rund 42.000 registrierten Nutzern (Stand 19.10.2020). Damit erzielt Tomorrow aktuell einen monatlichen Deckungsbeitrag von etwa € 11.200 (eigene Berechnung, Basis Unternehmensangaben).

Zunächst nur in Pressegesprächen gab Tomorrow im September bekannt, im Rahmen eines Crowdfunding € 2 Mio. im eigenen Kunden- bzw. Interessentenkreis finanzieren zu wollen. Die Mittel sind für eine internationale Expansion und die Auflage eines eigenen Investmentfonds vorgesehen (Süddeutsche Zeitung 15.9.2020). Die Finanzierung startete am 19.10.2020 um 12h.

Für die Auflage eines eigenen Anlageinstruments wäre eine Summe von rund € 1 Mio. plausibel. Für die internationale Expansion sind allerdings keine logischen Zielländer in Sicht. Frankreich wäre (auch noch französischen Medien, vgl. Ma-Neobanque 15.11.2019 (FR)) empfänglich für Tomorrow gewesen, mittlerweile sind dort allerdings bereits vier Finanzdienstleistungsprojekte mit dem Fokus Nachhaltigkeit/Klimaschutz gestartet (vgl. hier im Blog FinTech à la française).

In den Pressegesprächen bezifferte ein Mitgründer den „Wert eines Kunden“ auf € 1.000, was bereits eine sehr „sportliche“ Bewertung vor der Finanzierungskampagne nahelegte. Nunmehr legt Tomorrow eine Bewertung von € 50 Mio. (vor der Finanzierung) zugrunde, also € 1.250 pro Kunde.

Diese Werte sind für die Anleger bei dem geplanten Crowdfunding deshalb von großer Bedeutung, weil hieran die Wertsteigerung der geplanten Genußscheine im Falle eines Unternehmensverkaufs gemessen wird. Gegenüber der Presse (s.o) war mit einer theoretischen Wertsteigerung bei Erreichen von einer Million Kunden argumentiert worden. Mit dem höheren Bewertungsansatz jetzt würde sich das Potential unter Beibehaltung des Richtwertes pro Kunde also deutlich verringern.

Sofern in den nächsten fünf Jahren kein Unternehmensverkauf erfolgt, soll den Genußscheininhaber aus dem Crowdfunding die Möglichkeit einer Rückzahlung zum Nennwert zuzüglich einer jährlichen Verzinsung von 5% p.a. gewährt werden. Auf der Basis der aktuell verfügbaren Unternehmenskennzahlen wird Tomorrow allerdings nicht in der Lage sein, diese Versprechen zu erfüllen. Zudem liegt der angebotene Zinssatz im unteren Bereich der Verzinsung der von verschiedenen Plattformen angebotenen Nachrangdarlehen, z. B. für Energieprojekte mit deutlich größerer Transparenz und oft wohl geringeren Risiken als bei Tomorrow. Vergleichswerte lassen sich leicht einsehen, z.B. bei bettervest, ecoligo.investmentsGLS Crowd (keine Partnerlinks!). Zudem fließen die Mittel bei diesen Anbietern unmittelbar in den Klimaschutz und auch andere nachhaltige Zwecke und nicht zunächst in ein Unternehmen im Aufbau.

Ein Großteil der Nutzer schienen diese Ungereimtheiten bzw. das hohe, nicht adäquat gepreiste Risiko nicht zu stören. Nach Start des Angebotes um 12h am 19.10.2020 nur für die rund 42.000 Nutzer wurde das Volumen gegen 15:30h um € 1 Mio. auf € 3 Mio. erhöht. Dieser Betrag wurde kurz nach 17h erreicht und die Zeichnung geschlossen (Nicht registrierte Interessenten wären erst ab 12h am 20.10.2020 berücksichtigt worden).

Seminar-/Veranstaltungstermine

Zertifizierter Kundenberaterlehrgang nachhaltige Geldanlagen (MifidII)

Die Academy of Finance der VÖB-Service GmbH bietet ab Februar 2021 den Zertifizierten Kundenberaterlehrgang nachhaltige Geldanlagen (MifidII) als anerkannten Qualifizierungsnachweis an. In diesem Lehrgang sollen Kompetenzen von Kundenbetreuer*innen im Kundengespräch aufgebaut und geschult werden. Voraussichtlich ab März 2021 wird es gemäß MifidII zur Pflicht, in der Kundenberatung „Nachhaltigkeitspräferenzen“ zu erfragen und dies im Beratungsprotokoll zu dokumentieren.

MifidII wird nicht zur Beratung über nachhaltige Geldanlagen oder gar zu aktiven Produktangeboten verpflichten. Allerdings wird durch die neuen Vorschriften Nachhaltigkeit thematisiert, worauf weite Teile der Berater*innen in der Kreditwirtschaft nur schlecht vorbereitet sind.

Der Lehrgang ist in der Form eines „Blended Learnings“ gestaltet und setzt sich aus drei Onlineseminaren, fünf E-Learnings und einem Präsenzworkshop zusammen. Im Workshop werden praxisnah Gesprächssituationen über nachhaltige Anlageprodukte trainiert und auch integriert die Abschlussprüfung absolviert.

Der Start mit dem ersten Onlineseminar ist am 3.3.2021 geplant, der erste Abschlusstermin am 6.5.2021 in Bonn. Die Academy bietet damit in einem kompakten Format die Möglichkeit, Mitarbeiter*innen umfassend zum Thema Nachhaltigkeit in der Kundenberatung zu qualifizieren. Mit Ausnahme des Abschlussworkshop sind alle Module auch einzeln buchbar. Maßgeschneiderte Angebote für Gruppen aus einem Unternehmen sind auf Anfrage ebenfalls möglich.

Weitere Informationen und Buchungen: VÖB-Service Academy of Finance

Zertifikatslehrgang „Sustainable Finance Manager“

Die Academy of Finance der VÖB-Service GmbH bietet seit März 2020 den Zertifikatslehrgang Sustainable Finance Manager als anerkannten Qualifizierungsnachweis an. In diesem Lehrgang sollen Kompetenzen in Sachen Nachhaltigkeit umfassend aufgebaut werden, um diese anschließend im eigenen Hause in der Praxis umsetzen zu können.

Der Lehrgang ist in der Form eines Blended-Learnings gestaltet und setzt sich aus einem Präsenz-Workshop, drei E-Learning-Modulen sowie einer Online-Abschlussprüfung zusammen.

Der Starttermin am 16.3.2020 und die Zusatztermine am 17. und 18.3.2020  sowie der Starttermin am 23.6. waren bereits ausgebucht. Am 28.7. und 1.10.2020 wurden zwei weitere Lehrgangsgruppen gestartet. Nächster virtueller Workshop als Modul 1 des Lehrgangs: 24.2.2020.

Mehr Informationen und Buchungen: VÖB-Service GmbH Academy of Finance

Eine Beschreibung und einige Hintergründe zum findet sich im Newsletter der Steyler Ethik Bank vom Februar 2020: Nachhaltige Prozesse anstoßen.

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Mehr dazu: Angebote – Seminare, Vorträge, Workshops

Datenschutz/DSVO

Durch die ab 25. Mai 2018 in Deutschland geltende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union ist der rechtssichere Versand von Mails auch wenn sie keine unmittelbare Werbung enthalten an die ausdrückliche Zustimmung der Empfänger gebunden.

Sofern Sie zukünftig gezielte und dosierte Informationen zum Thema Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft per Mail erhalten möchten, bitte ich Sie unter dem nachfolgenden Link um Ihre Zustimmung, wozu ein simples „Ja“ in Verbindung mit Ihrem Namen und Ihrer Mailadresse würde genügen: Datenschutz bei Investabel®. Alternativ können Sie auch eine entsprechende Mail info@investabel.com senden.

Dies betrifft natürlich nur diejenigen Adressaten, die ihre Zustimmung bisher noch nicht gegeben haben.

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